Thema Monatsgruß 08/09 2019

Endlich Urlaub

 

Brauchen wir überhaupt Urlaub?

Einen Artikel zum Thema Urlaub für den Monatsgruß schreiben? Was liegt da näher, als sich auf den Weg zum nahegelegenen Campingplatz zu machen und die Urlauber selbst zu befragen? Und das tat ich dann auch. Mit Kugelschreiber und Papier und noch mehr Fragen im Gepäck freute ich mich auf einen schönen Nachmittag und hoffentlich viele neue Erkenntnisse. Doch daraus wurde nichts. Schon beim zweiten Urlaubsgast bekam ich eine unerwartete Antwort, die mich die Befragung abbrechen ließ. Ich musste erst mal nach Hause, darüber nachdenken und verdauen. „Ich brauche keinen Urlaub“, behauptete der noch junge Mann im Gespräch mit mir felsenfest. „Ich geh zwar mit, aber eigentlich meiner Familie zuliebe. Ich fühle mich nicht erschöpft. Ich mache meine Arbeit zuhause so gerne, warum soll man von etwas Urlaub machen, das man mit Begeisterung tut?“Das hatte gesessen! Ich stand nämlich gerade vor meinem Pfingsturlaub und plötzlich war ich es selbst, der sich die Fragen stellte. Warum brauche ich Urlaub von meiner Arbeit? Tue ich sie nicht gerne? Bin ich vielleicht im falschen Beruf? Würde mir jemand drei Wochen Urlaub vom Lesen oder Laufen anbieten, würde ich ja auch dankend ablehnen. Und wenn ich ehrlich bin: Oma und Opa hatten damals auch keinen Urlaub. Die Kühe, die gemolken werden mussten, kannten keinen Sonn- und Feiertag, die Schweine hatten auch am Sonntag Hunger. Wie also haben die das damals gemacht? Brauchen wir überhaupt Urlaub, wenn wir etwas mit Leidenschaft und Begeisterung machen? 

 

Aus der Geschichte des Urlaubs

Unglaublich, aber wahr: Die ersten Tarifverträge aus dem Jahr 1903 sahen für die Beschäftigten gerade mal drei Tage bezahlten Erholungsurlaub vor. In der Weimarer Republik war die durchschnittliche Zahl von Urlaubstagen für Arbeiter und Angestellte auf acht bis zwölf Tage angestiegen. Erst mit dem Bundesurlaubsgesetz im Jahre 1963 wurde eine Mindestregelung mit 24 Werktagen für jedes Land gesetzt. Heute schwankt der Urlaubsanspruch – je nach Staat – zwischen vier und sechs Wochen. In den USA besteht sogar überhaupt kein gesetzlicher Anspruch! Urlaub ist daher ein Privileg aus aristokratischen Kreisen, das mit Strandkorb und Ausschlafen ursprünglich nichts zu tun hatte. Das althochdeutsche Wort „urloub“ war einfach nur die Erlaubnis, sich entfernen und verabschieden zu dürfen. Der Ritter des Mittelalters bat seinen Herrn um Urlaub, wenn er ihn für kurze Zeit verlassen wollte. Aber er reiste dann nicht zur Entspannung in die Sonne, sondern kam seinen Berufspflichten als Botschafter nach, um den Ruhm des Herrscherhauses zu mehren. Die Knechte und Mägde konnten damals nach der anstrengenden Ernte zum Altbauern, dem „Ur“ gehen und um Erlaubnis für die freie Zeit fragen. Und gab dieser die Erlaubnis, zahlte er auch ein kleines Trinkgeld zur Vergnügung mit aus.

 

Machte Jesus Urlaub?

Nein, Jesus machte definitiv keinen Urlaub in dem Sinn, dass er irgendwohin verreiste. Mit seinen Jüngern war er ohnehin ständig auf der Wanderschaft. Aber Jesus machte Pausen. Obwohl er die Menschen so sehr liebte, sie heilte und lehrte, zog er sich an einen einsamen Ort zurück, wenn ihm alles zu viel wurde (Mk.1,35). Scheinbar brauchte auch er Auszeiten, denn die Menschen kamen in Scharen zu ihm und es gab kaum einen Platz, an dem er sich ausruhen konnte. Am Sabbat ging Jesus dann in die Synagoge, um das Wort Gottes zu lehren. Am wichtigsten war für Jesus während seiner Pausen das Gebet mit Gott, seinem Vater. Daraus schöpfte er die meiste Kraft. Auch wenn das Wort Urlaub in der ganzen Bibel kein einziges Mal vorkommt, so mahnt uns die Bibel an über 170 Stellen, dass wir dringend Ruhepausen im Alltag brauchen. Gott selbst ruhte am siebten Tag von seinen Werken (1. Mose 2,2) und schenkt uns damit einen freien Tag in der Woche. Damit legt die Bibel den Fokus nicht auf den Satz „Ich brauche mehr Urlaub“, sondern eher auf „Ich brauche auch unter der Woche mehr Ruhe“. Bei aller Begeisterung für die Arbeit hat Gott offenbar gewusst, wie sehr den Menschen sein Tagwerk gefangen nehmen kann, so sehr, dass er seine Arbeit manchmal sogar zur Religion macht und über seiner Geschäftigkeit alles andere vergisst. Wenn wir der Bibel glauben, dann müssen wir uns unseren Urlaub keineswegs verdienen. Das regelmäßige Pausieren hilft uns nämlich, uns körperlich und geistig zu regenerieren. Zudem gibt es uns Raum, über unser Leben nachzudenken und uns Zeit für schöne Dinge zu nehmen, für die unter der Woche wenig Zeit bleibt. Zeit vielleicht auch zum Loben, zum Freuen und zum Danken!?

 

Ja, wir brauchen Urlaub!

Es ist doch schön für den jungen Mann vom Campingplatz, dass er das Urlaubsende nicht fürchtet, sondern gerne wieder an seine Arbeitsstelle zurückkehrt. Daraus zu folgern, dass man keinen Urlaub braucht von Dingen, die einem Freude machen, greift allerdings zu kurz. Tatsächlich kann auch der schönste Beruf irgendwann zu viel werden – und dann tut ein Abstand zur Erholung und Regeneration sehr gut. „Die Batterien aufladen“, keine Termine wahrnehmen, keine Mails bearbeiten und sich mal wieder mehr seiner Familie widmen, das alles hat durchaus Sinn und seine Berechtigung. Für mich bedeutet Urlaub in erster Linie nicht, endlich mal zu faulenzen. Ich komme in meinen freien Tagen viel mehr zu Dingen, die mir auch Spaß machen und für die an Arbeitstagen die nötige Zeit fehlt. Endlich mal ein schönes Buch am Stück lesen und nicht wieder weglegen müssen, Zeit für mein Kind, das jetzt Ferien hat oder vielleicht auch mal neue Rezepte am Herd ausprobieren und zufrieden mit dem Ergebnis sein. Hier mag jeder genau das einsetzen, was er im Urlaub so gerne macht.

Also: Machen Sie Ihren Urlaub ganz ohne schlechtes Gewissen und genießen Sie jede Minute, dann macht auch das Arbeitsleben wieder viel mehr Freude!

Matthias Vogt, Pfarrer