2025 02

Thema Monatsgruß 06 07 | 2025

Der Heilige Geist und die Demokratie

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

„Auf welchen Feiertag würden Sie zur Finanzierung des Milliardenpakets für Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz am ehesten verzichten?“ So lautete unlängst die Frage bei einer Meinungsumfrage. Die Befragten waren sich einig. Weihnachten und Ostern sind unantastbar. Aber Pfingsten stand bei einigen Befragten zur Diskussion. Denn – so sagten die Befragten: Dem Fest fehlt der Familienbezug. An Pfingsten können Menschen eben nicht mit den Kindern oder Enkelkindern Ostereier suchen oder den Christbaum schmücken. Für Pfingsten gibt es auch keine kulinarischen Köstlichkeiten. Es gibt keine Pfingstgans oder auch keinen Pfingsthasen. An Pfingsten gibt es keine Traditionen, die in der Familie gepflegt werden können. Deshalb tun sich manche Menschen mit diesem dritten kirchlichen Hochfest schwer.

 

Dabei gibt es an Pfingsten für das Leben und den Glauben etwas ganz Wichtiges zu feiern. In der Apostelgeschichte im zweiten Kapitel heißt es: „Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Sturm und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt und wie von Feuer, und setzten sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen zu reden eingab.“

 

Durch den Heiligen Geist sind Menschen mit Gott verbunden. Sein Geist gibt ihnen ein, in den unterschiedlichsten Sprachen zu predigen. Im Johannesevangelium wird der Heilige Geist auch als Tröster beschrieben. Er wird die Glaubenden an das Gewesene erinnern und so den Glauben in ihnen wachhalten. Gott wirkt durch seinen Heiligen Geist aber auch auf unterschiedlichste Weise in unserem Leben. Dies wurde letztes Jahr in St. Stephan deutlich. Menschen konnten auf Feuerzungen schreiben, wie oder wo sie das Wirken des Heiligen Geistes in ihrem Leben schon erlebt haben. Am Ende hing eine richtige „Feuersäule“ von der Kanzel. 

 

Auf den Zungen stand unter anderem: 

Frieden, Nein zu Kriegen

Freunde, Zuversicht, Glück, Geborgenheit

Wenn ich eine tolle Zeit mit der Familie habe

Entfaltungskraft, Selbstliebe, Verbundenheit, Lebendigkeit

Offenheit, Verständnis, Barmherzigkeit, Güte, Glaube, Lebenskraft,

Liebe, Gemeinschaft, Hoffnung, Treue, 

Mut, Kraft, Herzlichkeit, Freude, 

Inspiration, Begabungen …

 

 

In dieser Aufzählung ist zu erkennen: Der Heilige Geist ist nichts Abgehobenes, sondern sein Wirken ist Tag für Tag im alltäglichen Leben erfahrbar. Er kann und soll unser Zusammenleben im Kleinen wie im Großen prägen. Dies hat für mich gerade an Tagen wie diesen eine gesellschaftspolitische Dimension. Denn in der Apostelgeschichte heißt es wenige Verse unterhalb der bereits zitierten Stelle: „das ist’s, was durch den Propheten Joel gesagt worden ist: Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Alten sollen Träume haben; und auf meine Knechte und auf meine Mägde will ich in jenen Tagen von meinem Geist ausgießen, und sie sollen weissagen.“

 

Gott gießt seinen Geist aus auf alles Fleisch, auf Söhne und Töchter, auf Jünglinge und Alte, auf Knechte und Mägde. Gott gießt seinen Geist demnach auf alle Menschen aus. Er bezieht alle in sein Wirken mit ein, egal welchen Alters und Standes sie sind. Gott macht keinen Unterschied zwischen Jung und Alt, zwischen Mann und Frau, zwischen Knecht und Sohn. Gott widerspricht damit jeglicher Diskriminierung. Keine Altersgruppe wird an den Rand gestellt. Frauen und Männer haben die gleichen Rechte. Es gibt kein abgestuftes Mitspracherecht, kein oben und unten in der Gesellschaft. Gottes Geist schafft ein gleichberechtigtes Miteinander. Ein Ansporn in einer Zeit, in der Frauen immer noch stärker von Gewalt bedroht sind als Männer. Ein Weckruf in einer Zeit, in der demokratische Strukturen auch in Europa immer mehr bedroht sind. Es hat mich erschreckt und wachgerüttelt, dass ein amerikanischer Präsident per Dekret scheinbar unter Umgehung des Senats und des Repräsentantenhauses aus Verträgen aussteigen und die Welt nach seinen Vorstellungen verändern kann. Es macht mich fassungslos, dass Elon Musk ohne demokratische Legitimierung in amerikanischen Behörden Sparmaßnahmen vornehmen kann oder sie gar schließen kann, ohne nach den Folgen für die Betroffenen zu fragen. Was für ein Menschenbild und Miteinander wird da gelebt?! Die Tatsache, dass der Heilige Geist über alles Fleisch ausgegossen wurde, legt ein anderes Miteinander nahe! Deshalb kann das Pfingstfest dieses Jahr auch ein Weckruf an uns sein. Es kann uns ermutigen für Demokratie und Gleichberechtigung einzutreten und sie im eigenen Umfeld zu leben. 

 

 

So wünsche ich Ihnen ein frohes und gesegnetes Pfingstfest

Ihre Pfarrerin Margit Walterham 

 


 

Monatsgruss

Thema Monatsgruß 04 05 | 2025

Braucht Demokratie Religion?

 

Hier soll nun der Frage nachgegangen werden, inwiefern Religion förderlich für die demokratische Gesellschaftsordnung ist. Dem sei…

weiterlesen

Thema Monatsgruß 02 03 | 2025

Fünf Thesen zur Kirche der Zukunft

 

Nicht nur kirchliche Insider fragen sich, wohin sich unsere Kirche in den nächsten Jahren entwickeln wird. Fest steht: Es wird…

weiterlesen

Thema Monatsgruß 12 | 2024  – 01 | 2025

500 Jahre Evangelisches Gesangbuch und Kirchenlied

 

Das erste Gesangbuch

Genau vor 500 Jahren erschien die erste reformatorische Liedersammlung. Das…

weiterlesen

Thema Monatsgruß 10 11 /2024

Kirchenvorstandswahl

 

Am Sonntag, 20. Oktober 2024, wählen die evangelischen Kirchen­gemeinden St. Johannes in Wasserburg sowie St. Stephan-Christuskirche und St.…

weiterlesen

Thema Monatsgruß 08 09 /2024

„Kraftorte im Urlaub“

 

Kraftorte in Lindau

In Lindau kann man direkt am See oder auch fernab des Touristenstroms herrlich neue Kraft tanken: ein schöner Spaziergang…

weiterlesen

Thema Monatsgruß 06 07 /2024

Sternenhimmel, Kant und Abraham

 

Mit den Konfirmandinnen und Konfirmanden waren zwei meiner Kollegen und ich kürzlich nachts unterwegs, oberhalb des…

weiterlesen

Thema Monatsgruß 04 05 /2024

Zurück an die Quelle – Zugänge zur Bibel

 

Die meisten von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, gehören wahrscheinlich zu der deutlichen Mehrheit von Menschen, die…

weiterlesen

Thema Monatsgruß 02 03/2024

Fasten

 

Manche Menschen beschäftigen sich in der Passionszeit nicht nur intensiver mit biblischen Texten, sondern sie fasten auch. Eine bekannte Fastenaktion der…

weiterlesen

Thema Monatsgruß 12/2023. 01/2024

Suchet der Stadt Bestes – ein Auftrag für Christinnen und Christen

 

Manchmal erschreckt es mich, wie wenig sich unsere Lebensweise als Christen von anderen…

weiterlesen

Thema Monatsgruß 10-11/2023

50 Jahre Orgel in St. Verena

Die Orgel in St. Verena wird 50 Jahre alt! Das ist ein Anlass für Sven Dartsch, den Organisten von St. Verena, über diese besondere
Orgel,…

weiterlesen

Thema Monatsgruß 09/2023

Konfirmation

 

Highlights mitten im Wandel – die Kurse für Jugendliche zur Vorbereitung auf die Konfirmation

Konfirmationsfeiern erfreuen sich nach wie vor großer…

weiterlesen

Thema Monatsgruß 06/2023

Wie kommt Gott in die Herzen, Hände oder Köpfe der Kinder?

Religionspädagogin Ute Keßler-Ploner und Pfarrer Jörg Hellmuth haben sich Gedanken zu dieser Frage gemacht. 

Ich…

weiterlesen

Thema Monatsgruß 04/2023

Die Welt ist bunt – Gott sei Dank!

Seit Januar dürfen in der EU nun auch Grillen und Getreideschimmelkäfer als Lebensmittel verkauft werden. Befürworter und…

weiterlesen

Thema Monatsgruß 02/2023

Ist die Kirchensteuer (noch) eine gute Idee?

Gedanken eines Nutznießers
Von Pfarrer Thomas Bovenschen

Um es gleich zu sagen: Die bei uns gängige Praxis, das Leben der weiterlesen

Thema Monatsgruß 12/2022 - 01/2023

Weihnachten in Sicherheit

Drei Interviews

Sicherheit erleben – diese Sehnsucht haben viele Menschen. Drei Gemeindemitglieder aus verschiedenen Alters- und

weiterlesen

Thema Monatsgruß 10/2022

Der evangelische Friedhof St. Verena

Der Friedhof rund um St. Verena in Lindau ist ein besonderer Ort: Er ist der einzige evangelische Friedhof in Lindau. Verwaltet wird er…

weiterlesen