Thema Monatsgruß 12/2021 – 01/2022
Weihnachten – Fest der Musik und des Staunens
In einer Welt voller Strukturen, Planungsprozesse und Auswertungen bleibt nicht viel Platz für Überraschungen und Momente des Staunens. Vielleicht berührt es uns deshalb zutiefst, wenn sich Kinder mit leuchtenden Augen und staunenden Gesichtern um den Weihnachtsbaum versammeln? Dann ahnen wir: Das Staunen sollten wir uns unbedingt erhalten. Mehr noch, wir sollten ihm wieder neu Raum geben, es einüben.
Ich staune in der Regel dann, wenn ich überrascht werde mit etwas, das ich so nicht erwartet hätte. Möglicherweise übersteigt es sogar mein Verstehen. Meist ist es positiv, so dass ich Grund habe zur Dankbarkeit. Und, wenn ich hinter in all dem Geschehen auch noch Gottes Wirken entdecken kann, dann steht mir der Sinn danach, ihn zu loben und zu preisen.
All diese Momente sind Teil der uns oft so vertrauten Weihnachtsgeschichte. Da kündigt ein Engel der jungen Maria eine höchst überraschende Schwangerschaft an. Zunächst muss ihr eine Verwandte,
Elisabeth, die eigentliche Bedeutung dieser Schwangerschaft erklären. Doch dann reagiert Maria mit einem Lobgesang, der ihr ganzes Staunen in Worte zu fassen versucht.
Oder die Hirten: Nachdem sie sich davon überzeugt hatten, dass die
Geburt des Heilands tatsächlich in einem Stall im nahen Bethlehem
geschehen war, priesen und lobten sie Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.
Das sind nur zwei Beispiele aus der Anfangsphase des irdischen Lebens Jesu. Unzählige weitere folgen. Im Kern haben sie gemeinsam, dass wir Menschen normalerweise nicht erwarten, dass Gott zu uns auf die Erde und noch dazu mitten hinein in den Alltag unseres Lebens kommt.
Und es passt erst recht nicht zu unserem Verständnis von Göttlichkeit und Heiligkeit, dass Gott zu diesem Zweck ein richtiger Mensch wird und dann auch noch unsagbar leidet an der Ungerechtigkeit unserer Welt. Damit rechnen wir nicht. Und wenn wir darauf stoßen, ist es oft erst mal sehr irritierend. Bleiben wir aber an der Sache dran, dann ruft das Wirken Gottes in und durch Jesus Christus immer wieder ein großes Staunen hervor.
Das soll es wohl auch. Schließlich war es Jesus selbst, der bei der Segnung der Kinder jene fast weihnachtlichen Worte sagte: „Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.“
Eine Einladung zum Staunen?
Thomas Bovenschen
Ich sehe dich mit Freuden an
und kann mich nicht satt sehen;
und weil ich nun nichts weiter kann,
bleib ich anbetend stehen.
O dass mein Sinn ein Abgrund wär
und meine Seel ein weites Meer,
dass ich dich möchte fassen!
Paul Gerhardt: Ich steh an deiner Krippen hier, EG 37, Strophe 4
Welche Musik kommt bei Ihnen zum Klingen, wenn Sie an Weihnachten
denken? Ihre Antworten wären wahrscheinlich total unterschiedlich:
Von „Es ist ein Ros entsprungen“ über das Bachsche Weihnachtsora-torium bis zu „Jingle Bells“ wäre wahrscheinlich alles vertreten.
Oft sind die Klänge verbunden mit Erinnerungen an besondere Erlebnisse, an emotionale Momente, die sich anderen Menschen gar nicht erschließen. Bei mir ist das auch nicht anders. Auch ich höre beim Gedanken an Weihnachten Musik: Zum Beispiel aus Heinrich von Herzogenbergs „Geburt Christi“ das Duett zwischen Maria und Joseph: „Joseph, lieber Joseph mein“. Ich höre aber auch den Kinderchor beim Krippenspiel: 40 Kinder, die aus vollem Herzen „Vom Himmel hoch“ schmettern.
Gleichzeitig habe ich als Kirchenmusiker auch gelernt, dass meine
Wünsche nicht die der anderen sein müssen. Gerade weil so viele ganz persönliche Erlebnisse die Erwartungen an die Musik bestimmen, habe ich gelernt, meine persönlichen Bedürfnisse zurückzunehmen zu
Gunsten einer Ebene, die es ermöglicht, die Weihnachtsbotschaft gemeinsam wahrzunehmen und Raum zu bieten, das Besondere an
Weihnachten zu erleben.
So wünsche ich Ihnen an Weihnachten musikalische Erlebnisse, die
es Ihnen möglich machen, über die Weihnachtsbotschaft zu staunen. Sei es bei Bachs Weihnachtsoratorium, bei der alpenländischen Weihnacht, beim Krippenspiel oder beim Singen zu Hause. Denn eines ist wohl
unbestritten: Musik und die Lieder gehören zu Weihnachten unbedingt dazu.
Burkhard Pflomm