Thema Monatsgruß 10/2022

Der evangelische Friedhof St. Verena

Der Friedhof rund um St. Verena in Lindau ist ein besonderer Ort: Er ist der einzige evangelische Friedhof in Lindau. Verwaltet wird er seit 2019 von Anne Knütter. Der Monatsgruß hat sich mit ihr über den Friedhof unterhalten.

 

Was ist für dich der besondere Reiz des evangelischen Friedhofs St. Verena?

Knütter: Es ist ein einladender, friedlicher Ort, der zum Spazierengehen und Verweilen einlädt. Viele Menschen kommen hier vorbei und halten inne, manche einfach, weil diese ganz eigene Atmosphäre des Friedhofs sie anspricht, andere, um das Grab eines Verstorbenen aufzusuchen. Der Friedhof St. Verena reizt mit seiner besonderen Lage: Leicht erhöht liegt er über Reutin und Lindau, von hier kann man den ganzen Pfänderrücken sehen, den Bodensee und die österreichischen und Schweizer Alpen. Zusammen mit der Kirche, dem Reutiner Rathaus, dem Pfarrhaus an der Köchlinstraße und dem Haug am Brückele bildet der Friedhof ein historisches Gesamtensemble. Klein und überschaubar ist er unser Friedhof, und an Feiertagen wie Allerheiligen und am Totensonntag, wenn die Lichter in der Dunkelheit flackern, wird er heimelig schön. Schnell zurechtfinden kann man sich hier zwischen Mauern, Wegen und Brunnen. Es gibt genügend Parkplätze für Besucher, ausreichende Kompostbehälter und eine kostenlose öffentliche Toilette bei der Aussegnungshalle.

 

Was ist aus deiner Sicht das besondere Profil des Verena-Friedhofes?

Knütter: Es ist ein naturnaher Friedhof, geprägt von seinen Gärtchen mit vielfältigen und farbenfrohen Blumen, seinen Wiesen und Bäumen. Viele Gräber sind besonders gepflegt – kein Wunder, wo wir doch hier in Lindau so eng mit der Natur verbunden sind. Die alte Bezeichnung „Gottesacker“ macht deutlich, dass christliche Friedhöfe mehr sind als eine letzte Ruhestätte für unsere Toten. Wie der Bauer die Saat, so pflegt Gott die Seelen in seinem Acker bis zur Auferstehung der Toten. Ein Ort der Hoffnung auf neues, ewiges Leben. Unser Friedhof ist auch eine Oase für die Tier- und Pflanzenwelt: Einige Tier- und Pflanzenarten kommen in der freien Landschaft immer seltener vor, auf unserem Friedhof haben die Blindschleichen, Fledermäuse und Schmetterlinge ein Zuhause. Oben im Kirchturm wohnen Mauersegler und Turmfalken, im Frühjahr kann man die ersten Flugversuche der Jungen über dem Friedhof beobachten.

 

Du hast viel Kontakt mit trauernden Menschen, die ein Grab suchen. Was ist dir im Umgang mit diesen Menschen wichtig geworden?

Knütter: Ich möchte Ihnen gerne eine Wegweisung geben. Das mache ich ganz praktisch, indem ich mit ihnen einen Spaziergang über den Friedhof mache. Sie haben viele Fragen auf dem Herzen, diese können wir auf dem Spaziergang besprechen: Welche Formalitäten gibt es rund um die Beerdigung zu erledigen? Soll der Verstorbene verbrannt werden oder soll es eine Erdbestattung mit Sarg geben?

 

Welche Grabart ist die Richtige? Wie wird das Grab bepflanzt? Der Friedhof ist ein Ort für Tote. Sollte man sich zu Lebzeiten schon Gedanken machen, wie man mal beerdigt sein möchte?

Knütter: Es gibt ja eine ganz natürliche Scheu, sich mit dem eigenen Tod zu beschäftigen, deswegen verdrängt man Gedanken an den eigenen Tod. Und doch tragen viele diese Gedanken an den eigenen Tod mit sich herum. Ich finde es richtig und wichtig, sich mit der Familie oder einem Vertrauten über dieses Thema zu unterhalten. Sich selbst Gedanken machen, heißt auch Angehörige entlasten. Je früher man diese Fragen für sich selbst beantwortet, desto besser: Möchte ich verbrannt werden oder möchte ich in einem Sarg beerdigt werden?
Möchte ich alleine, in einem Familiengrab oder einem Gemeinschaftsgrab beerdigt werden? Möchte ich auf einer Wiese bestattet werden oder unter einem Baum?

 

Die Bestattungskultur hat sich in den letzten Jahren drastisch verändert, die Leute verlieren den Bezug zu traditionellen Bestattungsformen und wägen mehr als früher die Kosten für den Unterhalt einer Grabstätte ab. Vor welchen Herausforderungen steht die Kirchengemeinde als Träger heutzutage?

Knütter: Immer öfter zwingt uns das moderne Leben zum Wechsel unseres Arbeitsplatzes. Oft ist damit der Umzug in eine andere Stadt verbunden. Es entsteht die Sorge um die zurückgelassene Grabstätte und die finanzielle Verpflichtung gegenüber einer Friedhofsgärtnerei. Man möchte die zurückbleibenden Ange­hörigen nicht mit Pflege und Kosten belasten.Daraus entsteht der Wunsch nach pflegearmen Gräbern. Im Friedhofsausschuss der Kirchengemeinde haben wir uns deswegen verstärkt Gedanken über neue pflegarme Grabarten gemacht. Seit 2008 gibt es zum Beispiel das große Gemeinschaftsgrab mit Grabskulptur und zwei Stelen. Daran werden zur Erinnerung für jeden Verstorbenen kleine Täfelchen mit Namen, Geburts- und Sterbedatum befestigt. In diesem Wiesengrab können noch ca. 200 Menschen beigesetzt werden. Die Idee des Ausschusses ist es, weitere kleine Gemeinschaftsgräber zu schaffen. So gibt es beispielsweise ein wunderschönes altes Grabmal aus Stein mit einem Christus, der sein Kreuz trägt. Diesen Grabstein wollen wir zur Mitte eines kleinen Gemeinschaftsgrabes mit 12 Plätzen errichten. In Planung sind außerdem pflegearme Erdgräber an einer längeren Heckenreihe und pflegearme Baumgräber. Wir überlegen auch, ob wir weitere Bäume pflanzen, an denen sich solche Gräber verwirklichen lassen.

 

Klassische Friedhöfe stehen auch vor der Heraus­forderung, dass die Menschen alternative Bestattungs­formen wie Ruhewälder oder eine Seebestattung
wählen. Wie geht die Kirchengemeinde damit um?

Knütter: Wenn man über den Friedhof läuft, sieht man inzwischen viele freie Flächen, die nicht für ein Grab genutzt werden. Darin liegt auch eine Chance: der Friedhof bekommt immer mehr das Gepräge eines Parks. Durch die Pflanzung weiterer Bäume kann der Parkcharakter noch mehr unterstrichen werden, es entsteht mehr Raum für Sitzgelegenheiten als Treffpunkt und Verweilort für die Besucher. Die Kirchengemeinde gewinnt außerdem im Umfeld der Kirche weitere Grünflächen, die sie nach dem Gottesdienst für ein Picknick oder ein Konzert nutzen kann.

 

Gibt es für dich einen persönlichen Lieblingsort auf dem Friedhof?

Knütter: Ja, es ist der Ort, wo ich irgendwann mal begraben sein möchte. Es ist ein Platz an der Friedhofsmauer, der links und rechts von weiteren Gräbern umrahmt ist. So läge ich nicht allein da. An diesem Platz findet sich jetzt Efeu, das gefällt mir. Efeu wird ja auch als das „ewige Bett“ bezeichnet.

 

Was wünschst du dir als Friedhofsverwalterin von den Menschen, die den Friedhof St. Verena für einen Spaziergang nutzen oder hier ein Grab unterhalten?

Knütter: Ganz wichtig ist für mich, Lob und Kritik von den Menschen zu bekommen. Nur so kann ich meinen Service für die Menschen verbessern. Ist ein Schlauch kaputt? Ist ein Brunnen verstopft? Wird eine Sitzgelegenheit am eigenen Grab benötigt? Fehlt irgendwo eine Gießkanne? Das darf man mir alles sagen! Und ich versuche, solche Mängel zeitnah zu beheben.

 

Das Interview führte Jörg Hellmuth

 

 

 

 

An wen wende ich mich wegen eines Grabes auf dem Friedhof St. Verena?
An die evangelische Friedhofsverwaltung, Tel. 989 08 09 oder an die Bestatter

Welche Rolle spielt der Bestatter?
Der Bestatter übernimmt im Sterbefall die Abholung des Verstorbenen und regelt alle Formalitäten. Zusammen mit der evangelischen Friedhofsverwaltung organisiert er die Trauerfeier

Wer darf auf dem evangelischen Friedhof bestattet werden?
Jede und jeder

Muss ich Mitglied der Kirchengemeinde sein?
Nein

Welche Bestattungsarten gibt es?
Beisetzungen im Gemeinschaftsgrab, in Reihengräbern, Urnengräbern und Erdgräbern

Wie sind die Kosten?
Ein Platz im Gemeinschaftsgrab kostet 600 €, ein Einzelgrab 800 €, ein Urnengrab 600 €

Wie lange ist die Ruhezeit auf dem Friedhof?
20 Jahre Kann die Ruhezeit verlängert werde? Ja, für mindestens weitere 5 Jahre

Was ist zu tun, wenn ein Grab aufgelassen werden soll?
Kontakt aufnehmen mit der evangelischen Friedhofs- verwaltung, Telefon 989 08 09

 

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