Thema Monatsgruß 02 03/2024

Fasten

 

Manche Menschen beschäftigen sich in der Passionszeit nicht nur intensiver mit biblischen Texten, sondern sie fasten auch. Eine bekannte Fastenaktion der evangelischen Kirche in Bayern ist „7 Wochen ohne“. Als ich vor vielen Jahren das erste Mal davon hörte, machte ich mit und verzichtete wie so viele andere Menschen auf Süßigkeiten. Obwohl ich durchhielt, erfüllte mich das Fasten nicht. Denn ich begriff den spirituellen Sinn des Verzichts nicht. Eine Bußleistung, wie ich sie aus dem katholischen Bereich kannte, passte nicht zu meinem evangelischen Verständnis, dass ich aus Gnade gerechtfertigt bin. 

Wozu also fasten? Allmählic h begriff ich, dass der Gewinn aus dem Fasten ein vielfältiger ist.

 

Ähnliches berichtet Brigitte Kreiter, spirituelle Begleiterin, von ihren Fastenerfahrungen: „Fasten wurde in unserer Familie auf verschiedenste Weise gestaltet, Verzicht auf Süßigkeiten etc. Jetzt in meinem Lebensalter sollte, so meine ich, auch das Fasten erwachsen werden. 

Im Vordergrund steht für mich mein Wunsch, gut vorbereitet zu sein für ein freudiges, fühlbares Ostern. 

Jesus sagt: „Wenn ihr fastet, macht kein finsteres Gesicht … und salbe dein Haar, wenn du fastest … damit die Leute es nicht merken.“ Für mich heißt das, Fasten ist eine ganz persönliche Sache zwischen Gott und mir. Das, was ich mir für die Fastenzeit vornehme, hat weniger mit Verzicht zu tun als mit dem Blick auf mein Leben. Notger Wolf, ehemaliger Abtprimas der Benediktiner, spricht davon: 

„wieder Frau oder Herr über sich selbst zu werden“.

Eine mögliche Frage: Was bleibe ich Gott, meinen Mitmenschen und mir selbst schuldig? Was kann ich ausprobieren, einüben in den Wochen der Fastenzeit, um mich wieder inniger an meinen Weg mit Jesus Christus zu erinnern, um voll Vorfreude auf das Osterfest zuzugehen?“

 

Fasten beginnt also schon weit vor dem ersten Fastentag. Wenn die Fastenwilligen sich überlegen, was sich in ihrem Leben ändern soll. Mit welchen Gewohnheiten schneiden sie sich von (einem erfüllten) Leben ab? Was verhindert eine lebendige Beziehung zu Gott? So fasten Menschen eben auf unterschiedliche Weise. Die einen verzichten bei kleinen Strecken aufs Auto, entschleunigen dadurch ihr Leben, bewegen sich mehr und tun der Umwelt etwas Gutes. Andere machen digitales Fasten und versuchen 7 Wochen ohne digitale Medien wieder mehr Unabhängigkeit vom Smartphone und allen sozialen Netzwerken zu erreichen. 

 

Andere praktizieren Fasten plus. Dabei üben Menschen ein neues Verhalten ein. Sie versuchen mehr zu trinken, nehmen sich wieder mehr Zeit für Freunde und Verwandte oder planen wieder feste Zeiten im Tagesablauf fürs Gebet ein.

Durch das neue Verhalten wird der Alltag unterbrochen. Fastende öffnen sich für neue Erfahrungen. Die Versuchung bringt manche an ihre Grenzen. In all dem werden Menschen heute wie zu früheren Zeiten empfänglicher für die Begegnung mit Gott. Jesus ging vor seinem Wirken in die Wüste. Er fastete und wurde versucht und erlebte Gottes Nähe. Elia und Mose fasteten, um Gott zu begegnen.

Die Unterbrechung des Alltags im Fasten richtet Menschen neu aus. Indem Menschen ein neues Verhalten einüben, lernen sie sich neu kennen. In diesem Aufbruch werden sie neugierig auf das, was sie erleben werden und wo sie Gott begegnen. 

 

Dies erfahren Menschen besonders dann, wenn sie einige Tage ganz auf Nahrung verzichten. 

So erzählt Christiane Zirkel von ihrem ersten Heilfasten:

„Dass Fasten auch eine andere Dimension als Abnehmen haben kann, erfuhr ich vor Jahren in meiner ehemaligen Kirchengemeinde. Zur Osterzeit fand eine ökumenische Fastenwoche statt mit Heilfasten nach der Buchingermethode. Nur Tee, Suppe und Saft. Ziel war nicht abzunehmen, sondern Zeit für sich, Zeit zum Nach- und Vorausdenken zu haben, den Alltag zu vereinfachen. Die körperliche Herausforderung ließ sich gut leben. Zwischen den Mahlzeiten war der Tag vollgepackt, damals noch Familienfrau und Teilzeitberufstätige. Sportliche Aktivitäten fuhr ich herunter, um den Kreislauf nicht zusätzlich zu belasten. Nach den berühmten drei Tagen, in denen sich der Körper an das Fasten gewöhnt, ging es mir erstaunlich gut. Tee, Saft und Suppe waren ein Genuss!

Im Kopf spielten sich dafür andere Szenen ab. Alte, vergessene Menschen tauchten wieder auf. Ideen was ich alles nach der Fastenzeit tun wollte, wurden von Fastentag zu Fastentag mehr. Auch der Plan mehr Ruheminuten und -stunden in Zukunft einzuplanen. Zwei Mal in der Fastenzeit traf sich die Gruppe zum abendlichen Erfahrungsaustausch. Das gemeinsam zelebrierte Fastenbrechen vor Ostern war dann ein eindrückliches Erlebnis. Seither praktiziere ich immer wieder zu unterschiedlichen Zeiten das Fasten. Nun probiere ich auch andere Arten des Fastens aus. Loslassen, frei werden von bestimmten Gewohnheiten, Eigenheiten, Marotten. So wird jedes Fasten eine neue, spannende Erfahrung.“

 

Die Fastenzeit ist eine Chance, neue Erfahrungen mit sich selbst und Gott zu machen und dem erfüllten Leben näher zu kommen.

 

Margit Walterham

 

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