Thema Monatsgruß 08/09 2020

Aufbrüche & Umbrüche. Drei Menschen aus drei Generationen und ihr Blick aufs Leben

 

Was hat mich angetrieben? Was hat mir geholfen oder hilft mir gerade? Und was würde ich jemandem raten, der oder die vielleicht gerade jetzt vor neuen Herausforderungen steht?  Drei Menschen geben Auskunft zu diesen Fragen:

 

Christine Achtruth (66) aus Weißensberg: Sie hat viele Jahre bei den Ambulanten Diensten gearbeitet und ist froh, dass sie während der Corona nicht alleine ist. 

Meino Wissinger (43), Küchenmeister, seit elf Jahren selbstständig auf der Lindauer Insel: Er freut sich, oft im Leben Glück gehabt zu haben und möchte jetzt durch Corona vieles bewusst verändern. 

Johanna Breitwieser (18), Abiturientin aus Lindau: Sie lässt sich gerne von Familie und Freunden beraten, hat aber auch eigene Ideen, wie es jetzt nach der Schule weitergehen soll.

Aufbrüche und Umbrüche, das bringt uns an unsere Grenzen. Herr Wissinger, was genau hat Sie zu Ihrem Aufbruch angetrieben? 

Meino Wissinger: Also ich muss sagen, ich habe eigentlich jeden Tag einen neuen Aufbruch. Jeder Tag ist neu. Aber es gibt etwas, das mich antreibt: Ich hasse ignorante Leute, ich versuche da anders zu sein und habe auch versucht, das als Küchenchef durchzusetzen. Stichwort: Life-Work-Balance. Früher hatte ich da keine Chance. Ok, dann hab ich entschieden: Ich mache meinen eigenen Betrieb und versuche, ein vernünftiges Umfeld zu schaffen. Dann sind wir gewachsen und gewachsen. Aber über die Jahre sind wir von den Zielen, die wir eigentlich mal hatten, abgerückt. Und dann kam Corona. (…) Dadurch haben wir viel verändert, gerade auch in der Küche, z.B. beim Thema Fleisch bin ich gerade dabei umzustellen, wir setzen jetzt wieder auf Fleisch aus dem Allgäu.Wie ein Kleid aus Erfahrungen mit Gott 

Corona nimmt uns aus der Routine raus. Wie war es bei Ihnen, Frau Breitwieser, wie sieht bei Ihnen der Aufbruch aus? 

Johanna Breitwieser: Ja, es ändert sich ständig. Es gibt Tage, da denke ich: Ok, in die Richtung, so kann es gehen. Aber dann ist da wieder eine Corona-Einschränkung. Ich dachte nie, dass ich im Herbst anfange zu studieren. Ich wollte immer mittenrein noch etwas anderes machen. Aber das fällt jetzt weg. Aber das hat sich komisch angefühlt, weil man plötzlich dachte, ok ich habe doch keine Wahl mehr. (…) Aber was ich genau will, das weiß ich nicht. Mir geht es da wie diesem Kind, das durch ein Fenster ins Freie schaut. Es sieht alles, hört auch von Freunden und Verwandten Meinungen und versucht sie als fremde Meinungen zu sehen, die einem bei der eigenen Meinung helfen können. Da versuche ich gerade, zu gucken, was will ich eigentlich. Irgendwie will man dem jetzt, wo man eigentlich Zeit hätte, lieber aus dem Weg gehen. Da sagen die Eltern: Komm wir setzen uns hin und Du zeigst uns die Sachen, die dich interessieren, aber dann sagt man: Eigentlich würde ich gerne einen Film anschauen.

Frau Achtruth, Sie haben schon mehrere Umbrüche erlebt. War das schwierig für Sie – der Umbruch von der Berufstätigkeit in die Rente?

Christine Achtruth: Ja, das war schon schwer: Ich hab‘ ja schon Rente bekommen. Aber sie haben mich ja noch gebraucht und dann hieß es auf einmal, das geht nicht mehr wegen meinem Alter. Da hab‘ ich auch mal geweint. Das war ein Abbruch.

Manche Brüche kann man planen: Man weiß z.B. nach dem Abitur wird ein Umbruch stattfinden. Andere kommen auch überraschend wie ein Unfall oder eine Krankheit. Frau Achruth, wie haben Sie das damals erlebt? 

Christine Achtruth: Bei meiner Krankheit war das ganz plötzlich. Mein Jüngster war 9 Jahre alt. Die Mittlere war 12. Ich hab‘ den Arzt damals gefragt, wieviel Jahre er mir noch gibt. Ja fünf oder es kann auch noch ein bisschen mehr sein. Dann habe ich gedacht: Fünf Jahre sind auch gut. Dann ist der Kleine immerhin schon 14. Ich hab‘ dann auch an Gott gedacht: Vielleicht will er mich früher haben oder später. Zu der Zeit kam dann auch immer der Spruch, den ich von klein auf schon kannte: Ich habe Deine Haare auf dem Kopf gezählt, in Matthäus. Das hat mir immer Schutz und Segen gegeben. Da kam auf einmal wieder der Spruch. Der war ganz lange weg. Das hat mich gestärkt und jetzt lebe ich halt noch (lacht). Mit Gottes Hilfe. Mein Sohn ist jetzt 30. 

Da haben Sie uns ein schönes Stichwort gegeben: Was hat im Umbruch oder beim Aufbruch geholfen? Was war wertvoll? 

Meino Wissinger: Was mir hilft, ist diese große Familiengemeinschaft. Wir können uns gegenseitig helfen. Und ich habe auch oft Glück. Irgendwie bin ich oft zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Das gibt mir Selbstvertrauen, auch für Entscheidungen. 

Johanna Breitwieser: Ich hab‘ das Gefühl, das ich mir selbst noch nicht so sehr vertrauen kann. Daher versuche ich schon das Gespräch mit anderen zu suchen, gerade mit denen, die mich gut kennen. Am besten sind dann schon die Menschen, die einen bestärken, in dem was man vorhat.

Zuletzt diese Frage: Wenn jemand auf Sie zukommt und sagt: Ich muss aufbrechen, ich muss etwas verändern. Welchen Rat würden Sie geben? 

Christine Achtruth: Ich sag immer: Versuch‘s! Versuch, was Du dir vorgenommen hast!

Meino Wissinger: Vertrau auf Dich und tu, was Du meinst. Ratschläge sind immer schwierig. Wenn ich mich erinnere, was ich schon für Ratschläge bekommen habe – dann ist es für mich besser, mich nicht beirren zu lassen. 

Johanna Breitwieser: Ich finde, in erster Linie sollte es der Person mit ihrer Entscheidung gut gehen. Wenn sie das für richtig hält, dann wär‘s ja Quatsch, wenn ich mich da so weit einmische, dass die Person dann verunsichert wird. Ich finde, es zeugt von Stärke, wenn man das dann zulassen kann.

 

Vielen Dank für das Gespräch. 

 

Das Gespräch führten Jugendkirchenpfarrerin Johannetta Cornell und Pfarrer Eberhard Heuß.