Thema Monatsgruß 12 | 2024  – 01 | 2025

500 Jahre Evangelisches Gesangbuch und Kirchenlied

 

Das erste Gesangbuch

Genau vor 500 Jahren erschien die erste reformatorische Liedersammlung. Das „Achtliederbuch“ war allerdings mehr eine lose Blattsammlung als schon ein fertiges Buch. Aber es gab den Anstoß, die Reformation auf dem Weg des Singens weiterzugeben. So lagen den ersten Liedern auch Texte zugrunde, die die neue Lehre in Liedform griffig machen sollten. Erst später kamen von Luther und von seinem Bekanntenkreis auch Lieder zu den Psalmen, zum Kirchenjahr und zum Gottesdienst dazu. In den Gottesdiensten verankert wurden die Lieder dann 1526 im Entwurf der „Deutschen Messe“.

Jede Gottesdienstbesucherin und jeder Gottesdienstbesucher wird so zu Mitwirkenden. Pfarrerinnen und Pfarrer sind nicht mehr allein Gestaltende des Gottesdienstes, das Kirchenvolk gestaltet singenderweise die Liturgie mit und kommentiert mit Liedern die Inhalte der Gebete und Predigt. Dies ist als Pendant zur Bibel in Landessprache eine der größten Errungenschaften der Reformation.

 

Die weitere Gesangbuchgeschichte

Der evangelische Liederschatz wächst seit dieser Zeit immer weiter. Die Lieder Paul Gerhardts lenken den Blick auf den Trost in schwierigen Lebenslagen („Befiehl du deine Wege“), der Pietismus nimmt die eigene Beziehung zu Gott in den Blick („Jesu, geh voran“). Durch die Volksliederbewegung im 19. Jahrhundert kam das geistliche Volkslied ins Gesangbuch („So nimm denn meine Hände“ oder „Müde bin ich, geh zur Ruh“). Im 20. und 21. Jahrhundert fächert sich die Liedentwicklung weiter auf: Lieder aus anderen Ländern und Kontinenten und Lieder in unterschiedlichsten Stilen werden in den Kirchengemeinden ganz selbstverständlich erprobt und gesungen.

So ist das Gesangbuch von 1995 nicht mehr nur ein Buch für den Gottesdienst, sondern eine Sammlung des evangelischen Liedschaffens seit der Reformation. 

 

Das neue Gesangbuch kommt

2028 soll das neue Evangelische Gesangbuch kommen. Unzählige Kommissionen versuchen sich an der eigentlich unmöglichen Aufgabe, die Vielzahl der Lieder auf eine realistische Zahl zu reduzieren, so dass trotzdem alle Stile und Epochen gleichmäßig zur Geltung kommen. Jedes Lied wird dabei nach textlicher und musikalischer Qualität, nach Sangbarkeit und Popularität und anderen Kriterien beurteilt.

 

Persönliche Einschätzung

Seit knapp 40 Jahren begleite ich Gottesdienste musikalisch. In dieser Zeit hat sich viel verändert und das ist auch gut so. Die Zahl der neuen Lieder wächst gefühlt schneller als sie erprobt werden können. Lieder von den Kirchentagen, Lobpreislieder, Lieder aus Afrika oder Südamerika, ungewöhnliche Rhythmen und andere Melodien sind eine echte Bereicherung. Gerne habe ich mich auch in neue Stile eingearbeitet und mich um die Vermittlung gekümmert.

Leider ist in dieser Zeit auch die Lust am Singen zurückgegangen. Immer öfter erlebe ich Gottesdienste, in denen man sich beim Singen auf den Nachbar oder die Nachbarin verlässt. Dazu kommt eine wachsende Individualisierung, die sprachliche oder stilistische Schranken schließt.

Ich wünsche mir eine Gemeinde, die mit „Lust und Liebe“ (Zitat Martin Luther) singt. Eine Gemeinde, die fröhliche Lieder auch fröhlich singt, eine Gemeinde, die offen ist, neue Lieder – auch ungewohnte – gerne ausprobiert, eine Gemeinde, die offen ist, ihr Repertoire zu erweitern und trotzdem den Schatz der
Tradition nicht vergisst.

Das gemeinsame Singen ist urevangelischer Bestandteil des Christseins in Gottesdienst und Alltag. Singen ist die beste und einfachste Art, sich am Gottesdienst aktiv zu beteiligen. Singen schafft neue Horizonte und Erfolgserlebnisse. Ich freue mich zusammen mit Ihnen bei vielen Anlässen mit „Lust und Liebe“ zu singen, damit die Errungenschaft der Reformationszeit nicht verloren geht.

 

Kantor Burkhard Pflomm

 

 

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